Skateboard, Handy und Wasserfarbe – SPIELE PROGRAMMIEREN UND APPS ERSTELLEN
Schülerinnen und Schüler des Akademischen Gymnasiums Graz entwarfen im letzten Schuljahr ihr erstes Computerspiel. Sie beschäftigten sich mit Spielmechanik, Spielregeln, den Eigenschaften und Fähigkeiten der Charaktere und konzeptionierten Handlungen für die selbst gestalteten Spielelemente. Bevor beschrieben wird, wie es dazu kam, dass Jugendliche aus der Rolle von Konsumentinnen und Konsumenten heraus in das Produzieren von Computerspielen geführt wurden, werden hier Gedanken zur Medienkompetenz vorangestellt.
Das Smartphone im Unterricht
Für viele Schülerinnen und Schüler erfüllt das Handy mehrere Funktionen. Es hilft ihnen bei der Organisation ihres Alltags, verfügt über verschiedenste Werkzeuge wie eine Taschenlampe oder eine Kamera und trägt zur Identitätsbildung durch die erweiterte Möglichkeit der Selbstdarstellung im Internet bei. Das Smartphone wird aber auch gerne zum Zeitvertreib verwendet. So nehmen Online-Spiele an Computer und Handy im Alltag von Kindern und Jugendlichen oft eine große Rolle ein. Als Lehrkraft kann man die Schülerinnen und Schüler durchaus dabei unterstützen, die Risiken und Chancen der Nutzung ihrer Mobiltelefone zu hinterfragen und sie dabei zu bestärken, auch eine Weile ohne dieses auszukommen.
Es kann aber auch Sinn machen, das Handy in ein medienpädagogisches Konzept zu integrieren und es mit den Schülerinnen und Schülern gemeinsam aktiv im Unterricht zu nutzen. Die medienpädagogischen Überlegungen basieren auf einem Konzept des Medienpädagogen Werner Sesink.
Computerspiele am Skateboard steuern
Die Computerspiele entstanden mit Unterstützung des Catrobat-Teams rund um Wolfgang Slany, Anja Petri und Bernadette Spieler des Instituts für Softwaretechnologie der TU Graz. Die Beobachtungen, die dabei gemacht wurden, fließen in das Europaprojekt „No One Left Behind“ ein. In einer großangelegten Studie mit verschiedenen Schwerpunkten wird hier versucht, Jugendliche, die tendenziell eher nicht Informatik studieren würden, zum Programmieren zu ermutigen. In Spanien liegt das Augenmerk vor allem auf Jugendlichen mit Migrationshintergrund, in England auf Schülerinnen und Schülern mit kognitiven und visuellen Beeinträchtigungen und Lernschwächen und in Österreich darauf, wie man für Mädchen das Thema „Programmierung“ reizvoller gestalten könnte. Im Rahmen dieses Projektes wurde die Open-Source-Software „Create@School“ von Catrobat entwickelt, die als App auf Android Telefonen läuft. Das Team um Catrobat versucht mit dieser Software Menschen spielerisch an logische Prozesse, kreative Lösungen und digitale Technologien heranzuführen (Vgl. Catrobat).
Als die Anfrage kam, ob eine Klasse des Akademischen Gymnasiums Graz Lust hätte, Computerspiele mit einfachen Mitteln zu produzieren, war die Begeisterung groß. Ursula Trapp (Informatik, Physik und Mathematik) Magdalena Strauss (Bildnerische Erziehung, Werkerziehung und Informatik) und die Schülerinnen und Schüler der 2a Klasse überlegten sogleich, welche Art von Spielen interessant zum Anwenden und Produzieren wären. Nach einigen Überlegungen entschied man sich, dass das erste Computerspiel interaktiv werden und am besten mit einem Skateboard gesteuert werden sollte. Da man mit Pocket Code auf die Bewegungssensoren des Mobiltelefons zugreifen kann (Abb.2), stand diesem Vorhaben nichts im Wege. Hinzu kam, dass einige der Schülerinnen und Schüler der 2a über einen Schatz an Sprachen verfügen und die Klasse gerade „Alice im Wunderland“ mit ihrem Klassenvorstand Hermann Candussi las. Die Idee zu einem interaktiven Sprachlernspiel mit einer skatenden Alice als Hauptfigur war also geboren.
„Selber machen“ anstatt „Zocken“
Nach dem Aufbau von Wissen über grundlegende Programmierfunktionen ging es in die Planungsphase. Gemeinsam mit Anja Petri und Bernadette Spieler wurden Storyboards für die einzelnen Spiele geschrieben und skizziert. Dabei ging es vor allem um den Anfang, das Ende, die Hauptfiguren und deren Aufgaben. Die Figuren wurden mit Wasserfarben in zwei verschiedenen Bewegungsphasen gemalt, die Hintergründe und die Spielelemente gestaltet und schließlich durch die Kamerafunktion auf die Mobiltelefone und Tablets geladen (Abb. 3).Gestaltung heißt, die Wahrnehmung zu lenken. Dadurch beinhaltet Medienkompetenz immer auch die Fähigkeit, Verantwortung für Gestaltung zu übernehmen und diese kritisch zu reflektieren (Vgl. Sesink, 21f). In Teamarbeit machten sich die Schülerinnen und Schüler schließlich an das Programmieren der Spiele. Studierende des Instituts für Softwaretechnologie unterstützten sie dabei, logische Schlussfolgerungen zu ziehen und sich Konsequenzen des Verhaltens der einzelnen Spielelemente durchzudenken. Kommunikative Kompetenz ist nach Sesinks Verständnis eigenständiger Bestandteil der Medienkompetenz (Vgl. Sesink, 23f). Kooperation und Teamarbeit stellen das Zentrum der kommunikativen Kompetenz dar. Miteinander arbeiten oder spielen können, setzt ein gegenseitiges Verstehen voraus, das oftmals erst in einem kommunikativen Prozess herbeigeführt werden muss. Ganz bewusst wurde im Unterricht das System des Helfens angewendet. Wenn jemand etwas schon verstanden hat, dann benutzt dieser sein Wissen, um anderen diesen Bereich beizubringen. Organisation, Kommunikation, das Teilen von Kompetenzen, all das sind wichtige Fähigkeiten für den Umgang mit den neuen Medien und deren Dynamik.
Bildungskompetenz in der Schule
Die Reflexion des eigenen Fortschritts in der Spielentwicklung und die eigenständige Analyse beinhalten eine autodidaktische Kompetenz. Dies ist ein wichtiger Bestandteil der Bildungskompetenz, welche den Grundstein dafür legt, Verantwortung für den eigenen Bildungsprozess zu übernehmen (Vgl. Sesink, 26). Medienkompetenz ist in der Konsequenz als Qualifikation zu verstehen, die einem permanenten Wandel unterworfen ist. Sie wird also nicht einmal punktuell erlernt, sondern nur in einem lebenslangen Lernprozess permanent angeeignet. Das darf bei der Diskussion zur Vermittlung von Medienkompetenz nicht außer Acht gelassen werden. Im Akademischen Gymnasium Graz wird viel Wert auf kommunikative Fähigkeiten und eigenverantwortliche Bildung bei den Schülerinnen und Schülern gelegt. Man darf natürlich hinzufügen, dass auch die flexiblen Strukturen dieser Schule, die Bereitschaft aller Beteiligten, Begabungen und Interessen zu fördern, die häufige Zusammenarbeit mit Forschungseinrichtungen und auch das breit gefächerte Kurssystem Projekte wie dieses ermöglichen. Die Zusammenarbeit mit dem Institut für Softwaretechnologie geht weiter. Ab dem Schuljahr 2017 wird am Akademischen Gymnasium Graz auch der Unterstufenkurs „Robotik: Messen-Steuern-Regeln“ angeboten, in dem interessierte Schülerinnen und Schüler die Möglichkeit haben, elektronische Schaltungen aufzubauen, Platinen zu löten und eigene Programme an Microcontrollern zu testen.