„Freiheit“ am 10. April 2018

10 Apr 2018

„Freiheit“ am 10. April 2018

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10. April 2018. 3. Stunde, Religionsunterricht (röm-kath.), 1.b-Klasse.

Ich betrete den Klassenraum mit meinem geplanten Unterrichtskonzept für diese Unterrichtsstunde und sehe: Martina steht auf dem Lehrertisch. Ich sehe sofort: Sie steht da wie die Freiheitsstatue. Ich beschließe spontan, mein Unterrichtskonzept augenblicklich über Bord zu werfen. Welch großartige Chance! Ich denke nicht nach, warum und wieso.

Ich frage die Klasse: Wo ist – von unserer Schule aus gesehen – die nächstliegende Freiheitsstatue? Ich höre die Antworten: New York, Prag. Großartig, aber: Ich sage: Nein, von hier aus gesehen Luftlinie ca. 200 Meter. Wo? Die Antwort kam zunächst verhalten, aber doch: gleich neben der Oper. Richtig!

Die Skulptur  „Lichtschwert“ von Hartmut Skerbisch, Rekonstruktion der tragenden Struktur der amerikanischen Freiheitsstatue im Maßstab 1:1, frei von der ursprünglich gestaltgebenden Kupferhülle. Die Stahlkonstruktion ist ein Entwurf Gustave Eiffels aus dem Jahr 1883. Die Fackel des Originals ist abgeändert zur Schwertform, dem Satz von Franz Kafka im frühen Text „Der Heizer“ entsprechend: „Ihr Arm mit dem Schwert ragte wie neuerdings empor und um ihre Gestalt wehten die freien Lüfte.“  Die Kugel schließlich als Gegenform in der anderen Hand öffnet die Haltung zu freierem Stehen.

Martina hält in ihrer rechten emporgehobenen Hand statt der Fackel eine kleine, grüne Gießkanne und in ihrer linken Hand statt der Kugel einen roten Blumentopf mit einer Pflanze, die sonst den Klassenraum schmückt.

Die Klasse macht sich mit mir spontan auf den Weg dorthin, ohne Ansuchen um Genehmigung eines Lehrausganges. Es sind ja nur ca. 200 bis 300 Meter Fußweg bis dorthin. Was wir gemeinsam erlebt haben, sieht man auf den beigefügten Bildern. FREEDOM! FREIHEIT! Heute.

Zurück in der Klasse stellen wir die Ausgangssituation vom Beginn der Stunde nach: Martina steht wie zu Beginn der Religionsstunde am Lehrertisch. Frau Prof. Dr. Schutting-Wieser fotografiert uns abschließend liebenswürdigerweise als Klassengemeinschaft – wir alle rund um unsere spontane „444-Akademisches_Gymnasium_Graz-Freiheitsstatue“ Martina.

Auf meine Frage am Ende der Stunde, warum sie dies gemacht habe, antwortete Martina: „Ist mir in der Pause eingefallen, mir war …“

Ich werde diese Stunde nie vergessen. Im Sinne Martin Luther Kings, dessen wir zu seinem 50. Todestag in der Religionsstunde davor mit dem gemeinsamen Lied „We Shall Overcome“ gedacht hatten.

Und noch dazu: Punktgenau am 80. Jahrestag der unseligen, nachträglichen Volksabstimmung über den Anschluss Österreichs an Hitler-Deutschland (10. April 1938) … Martina wusste dies nicht. Aber sie hat ein sehr wichtiges Zeichen gesetzt. Heute. Danke dafür!

Roland Fischer